ÜBERS PLANEN
UND VERMITTELN

Marion

geschrieben von Marion Müller

Dieser Text ist Bestandteil einer Sammlung von „Erfolgsstories“ in der Raumplanung. Aber was sind eigentlich Erfolgsstories? Nicht nur die großen Wunder und Sensationen sind es wert, darüber zu schreiben, sondern auch die kleinen, immer wiederkehrenden Freuden. Die Suche nach solchen Geschichten führt dieses Mal ins Burgenland. Genauer gesagt in das Gemeindeamt von Neufeld an der Leitha, eine Kleinstadt im Wiener Umland.

Die späte Nachmittagssonne blitzt durch das große Fenster und wird durch die Jalousien zerschnitten, so dass die Hälfte des Besprechungszimmers mit Streifen übersät wird. Wir zwei sind die Einzigen hier. Ich komme aus der westlichsten Gemeinde Österreichs und auf dem Sessel neben mir sitzt Werner Tschirk, der vom anderen Ende des Landes stammt. Ich treffe ihn heute nicht zum ersten Mal. Lange Zeit war er in der Lehre tätig. Und so kreuzten sich im Laufe meines Studiums das ein oder andere Mal unsere Wege. Nur zu gut erinnere ich mich noch an die Feedback-Gespräche mit ihm. Aufmerksam und geduldig lauschte er unseren Projektideen, seine Rückfragen und Anmerkungen formulierte er dabei stets klar und nachvollziehbar. Schon damals hatte ich den Eindruck, dass er zu den Personen gehört, die lieber einen Moment länger nachdenken, bevor sie etwas sagen. Heute, fast zwei Jahre später, bin ich an der Reihe die Fragen zu stellen. Ein wenig ungewöhnlich fühlt sich das schon an.

Meine Aufmerksamkeit richtet sich für einen kurzen Moment auf die bunten Pläne, die hinter Tschirk hängen. Ziemlich ordentlich sehen sie aus. Ich habe schon viele solcher Darstellungen gesehen und der Blick auf dieses Exemplar stimmt mich seltsam zufrieden. Mich überkommt dasselbe Gefühl, als würde ich ein Klebeetikett von einer Oberfläche entfernen, ohne dass Überreste übrig bleiben. Oder wenn etwas auf den Millimeter genau in eine Schublade passt.

Werner Tschirk ist mitverantwortlich für diese Pläne. Er betreut die Gemeinde Neufeld an der Leitha und viele andere burgenländische Gemeinden schon seit einigen Jahren. Er kennt die Planungspraxis als Mitarbeiter des Planungsbüros „A I R“. Darüber hinaus forschte und lehrte er an der TU Wien am Forschungsbereich für Örtliche Raumplanung (IFOER), wo er auch sein Doktorat absolvierte. Ganz schön beeindruckend für sein junges Alter (38). Sein Lebenslauf und die hübsch-aufgeräumten Pläne sind aber nicht die einzigen Gründe, warum er in meinen Augen auf die Liste der Erfolgsstories gehört.

DIE ERFOLGSSTORY WERNER TSCHIRK

„Gibt es einen Moment, der dir in deiner Tätigkeit als Raumplaner besonders im Gedächtnis geblieben ist?“, frage ich ihn. Er hält kurz inne und denkt nach. Wenige Sekunden später erzählt er ein wenig stolz über eine gelungene Beteiligungsveranstaltung mit Jugendlichen. Gemeinsam mit jungen Neusiedler*innen haben er und seine Kollegin Magdalena Ertl (Raumplanungsstudentin, TU Wien) nach Veränderungsmöglichkeiten gesucht. Deren spannende Ideen und konkreten Vorschläge beeindruckten die beiden Raumplaner*innen, da sie unter anderem nach Alternativen suchten, um Leerstände sinnvoll zu nutzen.

Über das Verhältnis zwischen Plänen und Prozessen sagt Tschirk: „Ziel ist nicht der Plan an sich. Der Plan ist ein Produkt eines Prozesses, eine Konsequenz. Ziel ist ein kluger Prozess, dann wird auch das Ergebnis gut sein.“ Für mich klingt das nachvollziehbar und ein wenig nach Konfuzius Weisheit „der Weg ist das Ziel“. Das Feld der Raumplanung ist breit. Jede*r muss sich einen eigenen Zugang zusammenbasteln. Je mehr Tschirk über seine Erfahrungen berichtet, desto deutlicher wird mir, welchen Zugang er wählte: Tschirk ist Vermittler.

ZWISCHEN LEHRE UND PRAXIS

Tschirk ist überzeugt: Man kann Praxis und Lehre in der Raumplanung nicht getrennt voneinander behandeln, vom Austausch profitieren beide Seiten. Deshalb begann er neben seiner Anstellung am IFOER im Burgenland Praxiserfahrungen zu sammeln. In Lehrveranstaltungen bringen innovative, spontane und auch mutige Ideen der Studierenden vor allem in der Örtlichen Raumplanung Schwung ins Geschehen. Erfahrungen aus dem Planungsalltag bereiten die Studierenden wiederum gezielt auf das Arbeitsleben vor. Der Austausch zwischen Lehre und Praxis bringt ihn auch persönlich weiter. An seiner Tätigkeit an der TU Wien schätzte er es, bereits abgeschlossene Projekte nochmal reflektieren zu können, bereits eingefahrene Abläufe zu hinterfragen und daraus zu lernen.

ZWISCHEN PLANER*INNEN

Um den Austausch und die Kommunikation in der Raumplanung zu verbessern, startete Tschirk 2006 gemeinsam mit Kolleg*innen vom IFOER die offene Plattform „Netzwerk Raumplanung“. Ziel des Netzwerks Raumplanung ist es, gute Beispiele der Raumplanung zu kommunizieren und den Dialog zwischen Theorie und Praxis zu fördern. Damit schaffen sie Impulse, den Austausch zwischen Planer*innen auch im Internet zu ermöglichen. Aus Tschirks Sicht ist der stetige Dialog zwischen Planer*innen unverzichtbar. Beim Netzwerk Raumplanung kann jeder/jede mitmachen. Es gibt die Möglichkeit über Planungsthemen zu schreiben und gute Beispiele aus der Planungspraxis weiterzutragen.

ZWISCHEN ENTSCHEIDUNGSTRÄGER*INNEN
UND IHREN MÖGLICHKEITEN

In der Raumplanung sind die Planer*innen nicht die Entscheidungsträger, aber Entscheidungsvorbereiter. Behörden und Politiker*innen entscheiden oft auf Basis fachlicher Empfehlungen. Auch hier ist die vermittelnde Rolle der örtlichen Raumplanung von großer Bedeutung. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es darum geht, eingefahrene Routinen zu überwinden. „Wenn Menschen offen sind, sich auf Neues einzulassen und bereit sind neue unbekannte Wege zu gehen, dann wird es erst spannend“, betont Tschirk. Das erfordert mitunter Überzeugungsarbeit, aber vor allem einen offenen Planungsprozess, der von Respekt und Vertrauen geprägt ist. Dann entsteht Lust sich auf Veränderungen einzulassen.

ZWISCHEN BEWOHNER*INNEN UND IHREM LEBENSRAUM

Tschirk erzählt mir, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit eine immer bedeutender werdende Rolle in seinem Berufsalltag einnimmt. Es ist spürbar, dass das Interesse und Engagement der Bevölkerung wächst, ihren Lebensraum aktiv mitzugestalten. Er wünscht sich darüber hinaus, dass die Bewohner*innen ein gemeinschaftliches Verantwortungsgefühl für ihre Gemeinde und Region entwickeln. Tschirk glaubt, die Verbindung zwischen der Raumplanung und dem Alltag der Bewohner*innen müsse sicht- und greifbarer werden, denn weder Zwang noch Verpflichtung ruft Verantwortung und echtes Engagement hervor. Aber vielleicht wäre es ein Anfang in Planungsprozessen mehr und mehr eine Kultur des Miteinanders, des Vertrauens und der Wertschätzung zu entwickeln.

In Vorarlberg, wo ich herkomme, können viele etwas mit Raumplanung anfangen. Das liegt vielleicht daran, 
dass durch die naturräumlichen Gegebenheiten im Tal Platzmangel entsteht. Ich erinnere mich auch an die rumänische Kleinstadt Sulina. Vergangenen Sommer war ich dort für ein Universitätsprojekt und hatte das Gefühl, dass trotz der großen Unzufriedenheit, die Verantwortung für die Zukunft der Gemeinde lediglich auf die Politiker*innen abgewälzt wurde.

In meinen Gedanken gelange ich von Rumänien wieder zurück ins Neufelder Gemeindeamt. Durch die Jalousien 
starrend, bleibt mein Blick an der ehemaligen Polizeistation hängen und ich erinnere mich an ein Vorhaben der Gemeinde, von dem ich kurz zuvor erfahren habe. Dieses Gebäude soll in Zukunft zur Passage umgebaut werden, um ein Neubaugebiet besser an das Zentrum von Neufeld anzubinden. Von einem „Durchbruch“ war die Rede – es scheint als würde in Neufeld an der Leitha schon die nächste Erfolgsstory geschrieben werden.

© Marion Müller
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