Raumplanung DIY

fotosrund-04

von Raffaela Dorner

Jede*r kann Raumplanung im Alltag machen! Dafür braucht es nur ein paar Schritte und schon hast Du Dein Projekt realisiert und die Stadt mitgestaltet!

Im Folgenden kannst Du Dir diese 10 Schritte anhand eines vereinfachten Beispiels einer Grätzloase bzw. Parklets in Wien anschauen.

*Eine Grätzloase ist eine Möglichkeit den öffentlichen Raum zu beleben und besser für Städter*innen nutzbar zu machen. So eine Oase kann ganz unterschiedliche Dimensionen annehmen. Grundsätzlich soll sie einen zusätzlichen konsumfreien Aufenthaltsraum im öffentlichen Raum bieten.

© Raffaela Dorner

Wenn Du jetzt Lust bekommen hast Deine Stadt mitzugestalten und mehr Infos zum Thema Grätzloase suchst, schau‘ doch mal auf: www.graetzloase.at vorbei!

Oder lies dir hier noch die Interviews zum Thema Raumplanung DIY mit Philipp, einem Mitinitiator eines Parklets, und Johannes, Mitarbeiter des Vereins Lokale Agenda 21, durch: ↓

Johannes (LA21): „Alle, die in einer Stadt leben, gestalten diese immer auch notwendigerweise mit. Die Art, wie wir uns fortbewegen, wie wir unsere Freizeit verbringen, wie wir mit anderen über die Stadt reden, hat immer auch Auswirkungen darauf, wie sie sich entwickelt. Neben dieser „indirekten“ Art der Mitgestaltung wollen sich aber immer mehr Menschen auch ganz bewusst an der Entwicklung von Stadt beteiligen. Zumeist setzen sie sich für Aufwertung des eigenen Lebensumfeldes ein und bringen viel Wissen darüber mit, was es dort braucht und wo der Schuh drückt. Es zeigt sich, dass Projekte, die von der Bevölkerung vor Ort entwickelt und getragen sind, am besten funktionieren und nachhaltig wirksam sind. Sie fordern damit auch die Politik und die Verwaltung auf, bisherige Vorstellungen von Planung und Steuerung zu überdenken. Dadurch leisten Stadtbewohner*innen einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung der Stadtgesellschaft.“

Philipp (Mitinitiator einer Oase):“Ich glaube, wenn wir uns die Frage stellen, warum Stadtbewohner*innen die Stadt mitgestalten dürfen, schwingt hier eine viel tiefere Frage mit, nämlich wem die Stadt denn eigentlich gehört. Im 21. Jahrhundert angekommen leben wir in einer Demokratie, das heißt jeder Mensch hat das Recht und die Pflicht sich in Öffentliches einzubringen, sei es über Wahlen, sich in politischen Parteien oder NGOs oder eben in der Nachbarschaftsarbeit zu engagieren. Und ganz ehrlich, mittlerweile kennt sich doch niemand mehr wirklich überall aus und das kann dann wohl auch kaum von Magistratsabteilungen oder der Stadtregierung erwartet werden! Woher sollen sie denn wissen, dass die ältere Dame ums Eck sich auf unserer Bank auf halbem Weg nachhause nun endlich gemütlich ausruhen kann?
Partizipation in der Stadtentwicklung ist eine Möglichkeit hier zu unterstützen, mitzugestalten und mit den offiziellen Entscheidungsträger*innen gemeinsam beim Kleinen und Unsichtbaren anzusetzen. Letzten Endes ist es ein wunderbares Gefühl von Nachbar*innen und Passant*innen die Rückmeldung zu bekommen, hier ein Stückchen Raum verschönert und uns Bewohner*innen aufgemacht zu haben.“

Johannes (LA21):“Die Wiener Parklets sind vor allem deshalb eine derartige Erfolgsgeschichte (von 3 Parklets im Jahr 2015 zu 58 Parklets 2019), weil sie von den Bewohner*innen, Nachbar*innen und Geschäftstreibenden vor Ort initiiert und umgesetzt werden. Dadurch ist ein jedes Parklet einzigartig gestaltet und wird von den Menschen vor Ort mit Leben erfüllt. Erhält dieses Engagement noch Unterstützung, wie im Fall Wiens durch das Aktionsprogramm Grätzloase, wird es mit geringem finanziellen Aufwand um ein vielfaches verstärkt.“

Philipp (Mitinitiator einer Oase): „Das klingt jetzt vielleicht gar nicht so besonders, aber miteinander reden und auf die Menschen zugehen ist alles. Jede kleine Veränderung kann einen mal vor den Kopf stoßen und die tolle Idee von einer Seite löst bei der anderen große Bedenken aus. Wenn wir uns aber nicht in unserer Welt verschließen, sondern offen in ein ehrliches Gespräch treten, lassen sich viele Konflikte in ein produktives Miteinander umdrehen.“

Johannes (LA21): „Dem Engagement der Menschen viele Hürden in den Weg legen. Fünf Jahre Grätzloase zeigen, dass engagierte Stadtbewohner*innen verlässliche Partner*innen in der Stadtgestaltung sind, vor denen sich Politik und Verwaltung nicht zu ängstigen brauchen. Umsetzungsraten von über 90 % belegen, dass sich viele Menschen intensiv und passioniert für ihre Stadt engagieren wollen. Komplizierte bürokratische Abläufe und skeptische Zurückhaltung angesichts neuer und innovativer Projektideen verlieren damit ihre Berechtigung.“

Philipp (Mitinitiator einer Oase): „Ich glaube, der größte Fehler ist es von Anfang an überzeugt zu sein, hier mit dem eigenen Plan das Rad neu erfunden zu haben. Niemand kennt alle Bedürfnisse der Bewohner*innen, das geht ja gar nicht. Wichtig ist es, die Initiative zu starten, zu informieren und in konstruktiven Gesprächen gemeinsam zu gestalten.“

Johannes (LA21): „Die LA21 Wien darf einerseits durch das Aktionsprogramm Grätzloase Stadtbewohner*innen finanziell und mit Beratung dabei unterstützen, mit temporären Aktionen einen Beitrag zur Entwicklung ihrer Grätzl zu leisten. Im Rahmen der LA21-Bezirksprozesse können wir Menschen auch bei komplexeren Planungsvorhaben unterstützen, sich das notwendige Wissen anzueignen und im nicht immer leicht zu durchschauenden Spiel der Stadtgestaltung zu einem wirkmächtigen Akteur zu werden.“

Philipp (Mitinitiator einer Oase): „Einerseits wirst du für viele Menschen der Buhmann bzw. die Buhfrau sein, der/die ihnen ihre Gewohnheiten nimmt und sie zur Auseinandersetzung über den eigenen Bezugsrahmen fordert. Andere werden sich freuen, endlich Initiative und ihre Bedürfnisse vertreten zu sehen. Und du, als Initiator*in stehst in der Mitte, musst informieren, verhandeln, die Leute zusammenhalten, viel organisieren und die Motivation für das Projekt trotz manchmal auch Rückschlägen aufrechterhalten. Es braucht immer jemanden, der den Prozess der Veränderung am Leben erhält, der das Reden und Tun weiterführt und nicht einfach so aufgibt, sondern Projekte umsetzt und abschließt. Das kann auch schon mal herausfordernd sein, besonders wenn das Projekt dem Ende zu geht. Wer baut schon gerne das eigene Parklet wieder ab? Mit einem tollen Team und Nachbar*innen ist das aber alles schaffbar!“

Johannes (LA21): „Verwaltung und Politik lernen durch diese Projekte, dass Bürger*innen ernstzunehmende und verlässliche Akteur*innen in der Stadtentwicklung sind. Sie werden zudem dazu aufgefordert, ihr eigenen Routinen und Logiken in Frage zu stellen und ihre Handeln transparent zu machen. Dadurch vergrößeren sich die Spielräume dessen, was in der Stadt möglich ist, womit mittel- und langfristig eine Demokratisierung der Stadtgesellschaft verbunden ist.
Die Projekte regen aber auch den Diskurs zwischen den Bewohner*innen an und tragen die Frage, wie die Stadt gestaltet sein soll, in die Gassen, Plätze und Wohnungen der Menschen. Damit sind immer auch Konflikte und widerständiges Aushandeln verbunden – essentielle Bestandtteile einer lebendigen und offenen Stadtgesellschaft.“

Johannes (LA21): „Die Potentiale dessen, was in den Straßen, Gassen und auf den Plätzen Wiens möglich ist, sind noch lange nicht ausgereizt. Immer noch bestimmen zum größten Teil verwaltungstechnische Regulierungen und politische Vorstellungen des vergangenen Jahrhunderts, den status quo. Straßen sind überwiegend immer noch für fahrende und stehende KFZs reserviert. Abweichungen von etablierten Nutzungsformen öffentlicher Räume stoßen zumeist immer noch auf Skepsis und ein „Dürfen’s das denn?“. Es wird also noch zahlreiche Initiativen, Projekte und Experimente bedürfen, Wien zu einer offeneren, nachhaltigeren und vielfältigeren Stadt zu machen.“

Philipp (Mitinitiator einer Oase): „So ein Projekt ist ein wunderschönes Beispiel, wie vielfältig Menschen und ihre Fähigkeiten sind und gibt ebenso viel Raum Erfahrungen zu sammeln, sich auszuprobieren. Einige von uns haben auf einer ganz banalen Ebene viel über Statik, Behörden, Vorschriften, politische Organisation und Blumenpflanzen gelernt, haben die Menschen des eigenen Hauses kennen gelernt, aber kennen jetzt auch die Geschichten von Nachbarinnen und Nachbarn. Unser Parklet wurde auch zu einer kleinen Babysitterbörse für verzweifelte Eltern und arme Student*innen. Und wenn wir größer denken, hat es den Bezugsrahmen der Menschen eröffnet, hat es gezeigt, dass die Straße nicht nur den Autos gehört, sondern auch viele andere Menschen gerne mehr Platz im öffentlichen Raum hätten. Viele haben uns erzählt, wie skeptisch sie zu Beginn waren, da die Parkplatzsituation sowieso angespannt ist und wie sie letzten Endes das Parklet im Herbst trotzdem nicht mehr aufgeben wollten, da nun junge Familien einen Platz zum Picknicken hatten, WGs ihren Brunch aus der Küche ins Freie verlagern konnten und die ältere Dame aus dem Haus ihr Buch nun an der frischen Luft genießen konnte, ohne weit gehen zu müssen. Und obendrauf haben all diese Menschen begonnen zu sprechen, sich auszutauschen, zu unterstützen und ein Stück Leben miteinander statt nebeneinander etabliert. Ich finde, mehr kann mensch eigentlich nicht erwarten.“

Menü schließen