Räume planen lernen

fotosrund-03

von Michael Schoberleitner

Raumplanung, eine Disziplin die oft mit Architektur und Innenraumgestaltung verwechselt wird, feiert im Jahr 2020 ihr 50 jähriges Jubiläum als eigenständiger Studienzweig an der Technischen Universität Wien. Die Ausbildung zum/zur Raumplaner*in ist eine spannende Zeit mit einem Wechsel zwischen theoretischer und praktischer Lehre, welche die Studierenden auf einen erfolgreichen Berufsweg in der Planung und Gestaltung unserer Lebensräume vorbereiten soll.

Der Arkadensaal im Gemeindeamt von Langenlois füllt sich langsam. Neben dem Bürgermeister sind auch der Ortsplaner sowie weitere Mitglieder der Gemeindeverwaltung und zahlreiche interessierte Bürger*innen anwesend. Bei der Eröffnung der Veranstaltung ist der Saal voll besetzt. Fünf Monate intensive Arbeit kommen zu einem Ende und die Raumplanungsstudierenden präsentieren ihre Ergebnisse. Nach der Vorstellung von sechs zukunftsorientierten Ideen, welche die Struktur und die Gestaltung der Gemeinde in eine völlig neue Richtung lenken könnten, wird ein ca. 550 Seiten dicker Analysebericht an die Gemeindevertretung übergeben. Nicht nur die Gemeinde Langenlois kann von dieser Zusammenarbeit profitieren, sondern auch die Studierenden, durch eine Hands-On Erfahrung im Planungsalltag der Gemeinde.

P2 Endpräsentation Langenlois 2017, Quelle: Mein Bezirk

Dies ist nur eins von vielen Projekten, bei denen Studierende der Studienrichtung Raumplanung und Raumordnung vom Hörsaal in die Planungspraxis wechseln und hautnah und vor Ort an neuen Lösungen arbeiten. Ob Städtebau, Regionalplanung, Kommunalplanung oder soziologische Untersuchungen – die Inhalte der unterschiedlichen Übungen erstrecken sich über einen breiten interdisziplinären Rahmen und reichen vom ersten Semester des Bachelorstudiums bis hin zur Diplomarbeit am Ende des Masterstudiums.

Das Studium der Raumplanung und Raumordnung wurde erstmals 1970 an der Technischen Universität Wien als eigenständiger Studiengang etabliert und bildet in Österreich die einzige Möglichkeit einer universitären Ausbildung im Bereich der Raumplanung. Gut 2.500 Studierende haben sich für diesen Weg in den letzten Jahrzehnten entschieden und sind heute die Planer*innen, die unseren alltäglichen Lebensraum mitgestalten und laufend an neuen innovativen Ideen arbeiten. Die jetzigen Raumplanungsstudierenden sind bestrebt, sich durch praxisnahe Erfahrungen und der Teilnahme an internationalen Programmen für spätere Aufgaben gut zu rüsten.

Am Beginn der Ausbildung steht die Raumwerkstatt, ein Projekt in dem erste Erfahrungen mit dem Analysieren, dem Beobachten und dem Gestalten von Räumen gesammelt werden. Ziel ist es, die Studierenden an das planerische Handeln heranzuführen und die Praxis näherzubringen.

Anschließend werden durch Projekte im Bereich der Stadtraumanalyse verschiedene Entwurfstechniken für Pläne vermittelt. Das Kennenlernen der städtischen Typologien und die Darstellung davon auf Plänen sowie der Entwurf von neuen Strukturen stehen hier im Vordergrund. Oftmals dienen dabei brachliegende Stadtareale als „Sandkisten“, um neue Ideen auf dem Papier zu entwickeln und darzustellen.

Aber nicht nur die Stadt Wien dient dabei als Ausbildungsraum, sondern ein besonderer Fokus wird auch auf den ländlichen Raum gelegt. In den vergangenen Jahren hat sich dadurch eine Reihe von erfolgreichen Kooperationen ergeben. Das Projekt 1, ein städtebaulicher Entwurf im dritten Semester des Bachelorstudiums hat eine Gruppe Studierender beispielsweise nach Bruck an der Leitha geführt. Im Nachhinein erinnert man sich gerne an die Workshops vor Ort und die Ausarbeitung von Modellen aus verschiedensten Materialien und den abschließenden Bericht, der über Monate in kleinteiliger Arbeit entstanden ist.

Das letzte und wohl größte Projekt im Bachelorstudium ist das Projekt 2, eine Lehrveranstaltung über die räumliche Entwicklungsplanung auf entweder regionaler oder kommunaler Ebene, die bereits an vielen verschiedenen Orten in ganz Österreich stattgefunden hat. Auf Gemeindeebene wurde unter anderem in Poysdorf, Horn, Marchegg, Pressbaum, Krems oder Laa an der Thaya gearbeitet. Auch Langenlois, welches oben bereits erwähnt wurde, stellte einen der Untersuchungsräume im Projekt 2 dar und konnte bei den Studierenden durch die große Gastfreundschaft und die spezielle Struktur als Weinanbaugebiet punkten. Auf regionaler Ebene wurde sowohl mit Oberwart, als auch mit dem Römerland Carnuntum, der Wörtherseeregion oder Graz Umgebung zusammengearbeitet.

Im Oktober 2019 gab es im Rahmen einer von Studierenden und Lehrenden organisierten Ausstellung, dieRaum19, die Möglichkeit, eigene Studierendenprojekte auszustellen und diese der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.

Neben der Ausbildung in Österreich gibt es auch eine Vielzahl an internationalen Projekten und Weiterbildungsmöglichkeiten. Zahlreiche Studierende nutzen die Gelegenheit eines Semesters an einer der zahlreichen ERASMUS Destinationen oder nehmen an Exkursionen teil, welche unter anderem in Indien, Japan oder Russland stattgefunden haben.

Valentin Promberger, ein Studierender im Masterstudium, reiste beispielsweise im Zuge der Lehrveranstaltung Field Trips in Public Space nach Tirana in Albanien, um eine selbstorganisierte qualitative Feldforschung durchzuführen. Da der Ort, der Forschungsaspekt und die Methodik selbst bestimmt werden konnten, war es für ihn eines der interessantesten Projekte in seiner bisherigen Ausbildung. Er und seine Kolleg*innen konnten aber nicht nur von den Erfahrungen profitieren, sondern auch von den vielen Kontakten, die sie während ihres Aufenthaltes knüpften. Es folgte eine Einladung zur Summerschool, um ihre Ergebnisse zu präsentieren.

Eine weitere Möglichkeit, die Ausbildung von Wien an einen internationalen Standort zu verlagern, bietet das seit 2017 für den Studiengang Raumplanung und Raumordnung angebotene Doppeldiplomprogramm an der Tongji University in Shanghai. Dabei können zwei Abschlüsse an sowohl der Technischen Universität Wien als auch in China erlangt werden.

Die Ausbildung an der TU Wien verbindet somit nicht nur theoretische Inhalte mit praxisnahen Projekten, sondern schafft es auch Brücken in andere Länder und Kulturen zu bauen. Ein weiterer Aspekt, der oft von Raumplanungsstudierenden hervorgebracht wird, ist die freundschaftliche und kollegiale Atmosphäre innerhalb des Studiengangs. Der Fokus wird auf Zusammenarbeit, Hilfsbereitschaft und Teamfähigkeit gelegt, um gemeinsam gute Leistungen zu erzielen. Dies ist nicht nur ein wichtiger Aspekt während der Ausbildung, sondern auch im späteren Berufsleben, da Räume nur gemeinsam und in kooperativer Zusammenarbeit weiterentwickelt werden können. Die Geschichte des Studienganges Raumplanung und Raumordnung über die letzten 50 Jahre kann daher auf jeden Fall als Erfolgsstory bezeichnet werden.

Menü schließen