EINE GRÜNZONE FÜR VORARLBERG

Marion

von Marion Müller

In Vorarlberg steckt eigentlich gar nicht mehr so viel Ländle wie man glaubt. Genauer genommen ist das westlichste Bundesland Österreichs, nach Wien, das am dichtesten besiedelte. Es sprießen Wohnhausanlagen und Betriebe aus dem Boden und der ländliche Flair des kleinen Bundeslands muss besonders im Rheintal Platz machen für städtischere Strukturen. Schon vor ungefähr 50 Jahren hatte man die leise Vermutung, dass die Bevölkerungszahl einmal stark steigen wird. Deshalb wagte die Vorarlberger Landesregierung einen mutigen Schritt. Etwas das sich bis zu diesem Zeitpunkt noch kein anderes Bundesland traute: die Festlegung einer Landesgrünzone.

Genauer gesagt wurde eine rechtliche Grundlage für den Erhalt bestimmter freier Flächen im Tal geschaffen. Ziele waren unter anderem, der Zersiedelung Einhalt zu gebieten, Planungsspielräume für zukünftige Generationen zu erhalten und Naherholungsräume zu sichern. Die Landesgrünzone ist fast so groß wie das Nachbarland Liechtenstein und schlängelt sich, wie ein Grünes Band vom Bodensee in Richtung Süden, durch das gesamte Rheintal und den Walgau. So trägt sie dazu bei, die Balance zwischen Natur- und Siedlungsraum zu erhalten. Und das ist der erste Erfolg in der Story: frühzeitig die Bedeutsamkeit von überörtlichen Freiflächen in einer wachsenden Region zu erkennen und zu handeln.

Doch die Landesgrünzone darf man sich nicht wie einen unberührten Fleck in der Landschaft vorstellen, denn es finden sich dort viele verschiedene Nutzungen. Freizeitinfrastruktur, große Bauernhöfe, Biogasanlagen und der eine oder andere Industriebetrieb, der sich im Laufe der letzten 40 Jahre an den Rändern der Landesgrünzone niedergelassen hat. Denn der Siedlungs- und Nutzungsdruck besonders ist besonders im Rheintal hoch! Das Land bangt um seine wirtschaftliche Entwicklung, es gäbe keine verfügbaren Flächen für Erweiterungen oder Neuansiedlungen von Betrieben. So kommt es, dass die Landesgrünzone in den 40 Jahren an den Rändern angefressen wurde und sie um 89 ha schrumpfte, da Grundstücke umgewidmet wurden, um Platz für Betriebe zu schaffen.

Neulich wurde im Land Vorarlberg wieder ein Umwidmungsverfahren in der Landesgrünzone diskutiert. Die Firma Rauch Fruchtsäfte wollte in Ludesch (Walgau) ihren Standort um 6,5 ha direkt in der Landesgrünzone erweitern. Rauch pries die Betriebserweiterung schmackhaft an: 100 neue Arbeitsplätze, 150.000 Euro zusätzliche Kommunalsteuer pro Jahr und eine freiwillige Spende von fünf Millionen Euro für die Gemeinde, als Quasi-Entschädigung für den Verlust von Grünflächen. 
 Die Gemeinde wurde also schwach und äußerte sich klar für die Betriebserweiterung. Und hier kommen wir zu dem zweiten Erfolg in dieser Story, denn die Bürger*innen gingen auf die Barrikaden und protestierten für den Erhalt der Landesgrünzone. Bei einer Volksabstimmung am 10. November 2019 stimmten 56,1 % der Bewohner*innen gegen das Projekt und verhinderten die Erweiterung des Großbetriebs.

Auch in Weiler wollte die Großbäckerei ÖLZ fast 5 ha der Landesgrünzone nutzen, um ein neues Werk zu bauen. Hier unterstützte die Gemeinde den Betrieb, obwohl der Standort ohne Anbindung an den Güterverkehr und das höherrangige Straßennetz strategisch ungeschickt gewählt schien. Dieses Vorhaben scheiterte, da sich eine aktive
 Bürger*inneninitiative gründete und auch aus den Oppositionsparteien starker Gegenwind kam. Die Grünen äußerten sich dezidiert gegen die Umwidmung und selbst die ÖVP schien gespalten zu sein.

Vor dem Hintergrund heutiger Umweltdebatten ist der Erhalt von großflächigen Grünräumen wichtiger denn je. Dieser Handlungsbedarf ist bereits bei vielen Bürger*innen angekommen, denn sie beginnen Verantwortung über ihren gemeinsamen Lebensraum zu übernehmen. Wahrscheinlich einer der größten Erfolge!

© Marion Müller
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