Festivals und
regionale Entwicklung?

von Jasmin Zdovc

In dieser Erfolgsstory wird Raumentwicklung und damit Raumplanung im ländlichen Raum bottom-up gemacht. Es geht um das privat initiierte Kultur- und Musikfestival Acoustic Lakeside. Entstanden ist es aus dem Bedürfnis der Jugend, auch im ländlichen Raum – abseits der Großveranstaltungen in den Landeshauptstädten – nicht nur mit traditioneller, sondern auch mit zeitgenössischer Kultur versorgt zu werden.

Die mehrtägige Veranstaltung findet seit 2006 jährlich am Sonnegger See in der Gemeinde Sittersdorf in Südkärnten statt. Das Festival und der gleichnamige gemeinnützige Kulturverein dahinter stellen eine wichtige Plattform bzw. einen „Möglichkeitsraum“ am Land dar, um die Vernetzung unterschiedlicher Akteur*innen der Region zu ermöglichen.

Der Festivalstandort am Sonnegger See © Acoustic Lakeside

Die positiven Effekte von Festivals am Land und ihre langfristigen Auswirkungen auf den Raum werden oftmals (noch) verkannt. Ortsentwicklung wird häufig nur als Entwicklung der baulichen und wirtschaftlichen Strukturen innerhalb einer Verwaltungseinheit gesehen, nicht aber als Entwicklung der Gesellschaft und der soziokulturellen Gegebenheiten in einem Gebiet. Der Erfolg und der Nutzen eines Kultur- und Musikfestivals ist für die Gemeinde nicht primär über eine Umwegrentabilität abzulesen bzw. in Zahlen messbar, sondern besteht vielmehr aus langfristigen qualitativen Auswirkungen auf die gesamte Region und die hier lebenden Menschen. Freie Kulturinitiativen sind selbstbestimmt und agieren unabhängig von Gebietskörperschaften, sowie von Parteien, Kammern und Religionsgemeinschaften. In der Regel zählen sie zu den „kleinen Playern“ im Kunst- und Kulturbereich, weshalb ihr Output aber auch ihre Bedürfnisse und Ansprüche von der breiten Öffentlichkeit und der Kulturpolitik oft übersehen werden.

Gruppenfoto der Vereinsmitglieder © Acoustic Lakeside

Vor allem in ländlichen Gebieten hat die Arbeit von zeitgenössischen Kulturinitiativen wie dem Verein Acoustic Lakeside viele positive Effekte für die Region: Angefangen bei der dezentralen kulturellen Nahversorgung abseits der Landeshauptstädte bis hin zur kommunalen Imagebildung, mit welcher sich die Bürger*innen identifizieren, ist die Palette des Mehrwertes breit. Besonders hervorzuheben ist die Vereinsarbeit hinter dem Festival. Rund 400 freiwillige Helfer*innen sind an der Organisation und Umsetzung der Veranstaltung beteiligt. Die meisten kommen aus der Region, viele davon sind zum Studieren nach Graz oder Wien gezogen. Durch die Beteiligung am Projekt entsteht ortsgebundene Identität und der Bezug zur ländlichen Heimat bleibt trotz Wegzug erhalten. Außerdem gibt es einen Pool an erfahrenen Leuten in der Region, die über Fachwissen verfügen, die Verfahrensabläufe sowie die örtlichen, personellen und politischen Gegebenheiten kennen. Diese Personen können die jüngere Generation, die sich kulturell oder anderweitig engagieren will, miteinbinden, fördern und unterstützen. Die Zusammenarbeit mit lokalen Betrieben und die Einbindung der örtlichen Gastronomie ist ein weiterer wichtiger Punkt für den Erfolg des Musikfestivals und bringt so einen wirtschaftlichen Mehrwert für die Region mit sich. Ein touristischer Mehrwert ergibt sich durch die Bekanntheit und die Strahlkraft des Festivals.

  • Dezentralisierung des kulturellen Angebots
  • Kulturelle Diversität im ländlichen Raum
  • Imagestärkung der Gemeinde
  • Regionale Wertschöpfung
  • Die Schaffung von Orten mit temporärer Bedeutung – „Raum im Raum schaffen
  • Netzwerk als wichtiger Entwicklungsparameter für einen Ort
  • Aktive Beteiligung führt zu Identität
  • Den Kontakt zu Weggezogenen stärken
  • Kompetenzen aneignen und Know-How nutzen
  • Förderung von gesellschafts- und generationsübergreifenden Aktivitäten
  • Anstoß für weiterführende kulturelle Prozesse

Ein Entstehen, Erhalten und Weiterentwickeln von Kulturinitiativen mit regionalem Mehrwert ist nur durch einen konstruktiven Dialog zwischen allen Beteiligten – Organisator*innen, politischen Entscheidungsträger*innen, Grundstückseigentümer*innen und allen weiteren Akteur*innen der räumlichen Entwicklung – möglich. Die entstandenen Impulse und Kontakte gilt es nach Festivalende zu reflektieren, weiterzuentwickeln und zu pflegen. Auch die Raumplanung kann einen solchen Impuls aus der Bevölkerung fördern: nach dem Prinzip „Raum im Raum schaffen“ ist das Planen und Sichern nutzungsoffener (Frei)Räume auch in ländlichen Gebieten enorm wichtig. Denn überall dort, wo ein Kulturverein die benötigte Infrastruktur zur Verfügung hat, potenziert sich die Kulturarbeit und es ergeben sich Synergien für neue Ideen, neue Initiativen und Wirtschaftsunternehmungen. Auf diese Weise wirken Kulturinitiativen identitätsstiftend für eine ganze Region. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums muss das gemeinschaftliche Verwenden von Ressourcen wie Boden, technischer Infrastruktur aber auch Wissen forciert werden. Zudem ist es wichtig, Kultur als eigenständige Dimension in Entwicklungsplänen mitzudenken und lokale Initiativen in die Strategieentwicklung einzubinden.

Akteur*innen der räumlichen Entwicklung
  • Nutzungsoffene (Frei-)Räume schaffen
  • Gemeinschaftlich nutzbare Infrastruktur entwickeln
  • Optimierung des Beratungs- und Förderprozesses von freiwilligem Engagement und Beteiligung
  • Impulse aus der Bevölkerung aufgreifen
  • Kultur als eigenständige Dimension in der Entwicklungsplanung integrieren
  • Kontinuierliche Kultur- und Vereinsarbeit
  • Entstandene Impulse und Kontakte reflektieren und pflegen
  • Intensive Kooperation mit lokalen Akteur*innen
  • Stärkere Vernetzung von Kultur und Tourismus
  • Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen
  • Einbettung in ein überregionales Netzwerk und Austausch von Erfahrungen, Wissen und Know-How
  • Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung

Auch wenn im Kulturverein Acoustic Lakeside (noch) keine graduierten Raumplaner*innen am Werk sind und das Festival nicht über eine Raum- oder Landesplanungsabteilung abgewickelt wird, ist es in der Dynamik von Südkärnten nicht mehr wegzudenken. Der Mehrwert gesellschaftlicher Partizipation abseits von unmittelbar messbarem Profit muss wahrgenommen und die Bedürfnisse von Kulturinitiativen in der (Raum)Planung mitgedacht werden.

Du findest die Verknüpfung von Festivals und Raumplanung spannend? Dann schau‘ mal in meine Bachelorarbeit rein:

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