Hat das Potenzial oder kann das weg? Perspektiven für das „Solvay Areal“ in Ebensee.

Jakob Pesendorfer

Um was geht´s da jetzt?

Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, am Beispiel eines großteils leerstehenden Industrieareales, sich mit der Transformation der ursprünglichen  Industrienutzung durch die Bespieglung von Kunst & Kultur zu befassen. In Folge dieses Transformationsprozesses werden durch das aufzeigen von bereits durchgeführten Referenzprojekten, Ansätze für eine Zwischennutzung des Areales und in Folge dessen ein Prozess entwickelt, um längerfristige Nachnutzungen für das Areal gewährleisten zu können. Durch den Wandel von der fordistisch geprägten Industriegesellschaft zur postfordistischen wissens- und Dienstleistungsgesellschaft kommt es zu einem Paradigmenwechsel. Die Bedeutungszunahme von Wissen, Kultur und Kreativität führt zu einer Verknüpfung der  Kultur mit der Ökonomie (vgl. Overmeyer/Frech/Knödler/Scheuvens/Steglich/Ratzenböck/Kopf 2014: 17).

Aufgezeigt wird dieser Transformationsprozess an einem 18 Hektar großen Industrieareal, welches der belgische Sodafabrikant „Solvay“ von 1883 bis 2005 am Standort Ebensee in Oberösterreich betrieb (vgl. Solvay 2020).

Durch die Einstellung der Sodaproduktion verloren viele Arbeitnehmer*inne ihren Arbeitsplatz. Solvay war einer der Wichtigsten Arbeitgeber der Region. Nach der Übernahme der französischen Firma Imerys, konnten einige ArbeitnehmerInnen Ihren Job behalten (vgl. Leitner 2019).

„Hohe Baukosten, der weit verbreitete Widerstand gegen homogene Projekte der Masseninvestition, lange Planungsprozesse und strikte Vorschriften, die Risiken fester Nutzungsprogramme in einer Zeit der ökonomischen und sozialen Wandlungen, der Mangel an kommunalen Budgets für die Förderung solcher Entwicklungen und vor allem der niedrige oder sogar schrumpfende Investitionsdruck in vielen Städten haben dazu geführt, dass weite Bereiche Brach liegen.“ (Christiaanse 2014: 5-16)

„Der Kaiser ist Tot“. Damit beginnt das Bidbook „Salt and Water“ der Europäischen Kulturhauptstadt 2024 – Bad Ischl-Salzkammergut. Salz, Wasser, Postindustrialisierung, Verbindung von Tradition und Alternativkultur und die Thematisierung des Hypertourismus sind die Themen der Kulturhauptstadt. Das heterogene Salzkammergut, welches einerseits eine stark sozialdemokratische Haltung verkörpert, ist zugleich bekannt für die Kaiserstadt Bad Ischl, die sich mit der Imperialen Marke „Kaiser“ auf vielen Ebenen vermarktet.  Einen weiteren bekannten Ort bildet Hallstadt, welcher seit Jahren zu einem der bekanntesten Tourismus Hotspots in Österreich geworden ist. An Spitzentagen kommen auf die 754 Einwohner*innen zirka 10.000 Tourist*innen.
Weitere Herausforderungen sind das Wirtshaussterben, die Auflassung von wichtigen Öffentlichen Haltestellen der Salzkammergutbahn und ungenutzte Industrieareale. Hier setzt das Kernteam der Kulturhauptstadt, welches sich aus fünf Personen aus dem Kulturbereich zusammensetzt, an. Wirtshäuser revitalisieren, Contemporary Art, Musicfestivals sind nur einige Themen die im Fokus stehen. Aus Wasser und Salz, die zwei Elemente welche das Salzkammergut prägen, soll eine Inklave entstehen. Darunter verstehen die Initiator*innen einen offenen Raum der durchlässig sei und für unterschiedliche Menschen und Kulturformen Platz bietet (vgl. Tomaselli 2019).

Diese Seminararbeit soll eine Symbiose zur Kulturhauptstadt 2024 aufbauen, und die Nutzungspotentiale für das Solvayareal aufzeigen. Die temporäre Bespielung mit Kunst und Kultur soll den Startschuss für eine neuinterpretation dieses Areals geben, ohne das Bewusstsein an den Identitätsstiftenden Ort zu verlieren.

Der Prozess soll als Grundlage und Nährboden für die weiteren Planungsschritte dienen. Der Grundstein für eine offene, konsensorientierte Planung im Gegensatz zur „geschlossenen Planung“ der 60er Jahre, die auf einen als richtig definierten Endzustand Zielt (vgl. Häußermann/Siebel 1994: 55).

Prozessphasen

Aktivierung 2021
In Phase eins werden jene Inhalte bearbeitet, welche sich mit der Vorbereitung auf die Kulturhauptstadt 2024 beschränken, damit das Areal schon vor der Ausstellung an Bedeutung gewinnt und durch Zwischennutzer*innen zum leben erweckt wird. 
Für das Solvayareal in Ebensee bedarf es genau einer solchen organisatorischen Überlegung, um Zwischennutzungen und in Folge dessen auch eine langfristige Nachnutzung für das Areal zu gewährleisten. Ein mögliches Instrument bietet hier der Leihvertrag.
Dieser bietet sich als Alternative zum klassischen Mietvertrag an, und unterliegt den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. Im Gegensatz zum Mietvertrag müssen Leihnehmer*innen kein Entgelt und auch keine wirtschaftlich bewertbaren Gegenleistungen erbringen um ein Objekt Nutzen zu können. Die Laufenden Kosten können jedoch von den Leihnehmer*innen getragen werden. Ein Leihvertrag wird meistens auf eine bestimmte Nutzungsdauer befristet oder mit einer Kündigungsregelung verbunden (vgl. Wiegand et. al 2018: 134).

 

Europäische Kulturhauptstadt Bad Ischl 2024
In Phase zwei kommen die Aktivitäten der Kulturhauptstadt ins Spiel. Die Ideen eines alternativen Wohnprojektes der „Life Factory“ und einem Independet Filmfestival werden Teil des Transformationsprozesses (vgl. Heinsich et. al. 2020). 

In dieser Phase wird der Standort durch die mediale Aufmerksamkeit und die aktive Bespielung von Kunst und Kulturschaffenden nachhaltig geprägt.
Um die Eigentümer*in Imerys von einer Zwischennutzung und einer langfristigen Nutzungsstrategie zu Überzeugen, bedarf es eine Konsensfindung aller Akteur*Innen. Die Tatsache, dass Flächen am Areal konterminiert sind und dadurch für gewisse Nutzungen Problematisch erscheinen ist ein wichtiger Punkt in der Entwicklung des Areals. Jedoch eigenen sich bestehende bauliche Strukturen vorerst gut für Zwischennutzungsprojekte und können weiters im Zuge der Kulturhauptstadt 2024 als wichtigen Impulsgeber agieren. Durch diese Bespielung alternativer Nutzungen entsteht eine neue Adresse im Salzkammergut.

Postkulturhauptstadt
In Phase drei werden Aussichten nach der Kulturhauptstadt thematisiert. Wichtig ist in Phase drei, dass es hier einen nahtloser Übergang von Phase zwei geben muss, um die Aufmerksamkeit und das Interesse, die durch die Kulturhauptstadt geweckt wurden, zu erhalten. Denkanstöße aller Akteur*innen sollen einen Platz finden (Beteiligungsprozess), um eine langfristige Nutzung, weit über die Kulturhauptstadt hinaus zu gewährleisten. Ziel ist es, dem Areal wieder einen wichtigen Stellenwert einzuräumen, welcher sich über die Regionsgrenzen hinaus bewegen soll.

 

Menschine

„Weil echte Maschinen kein Termin verschieben
Und Maschinen das kriegen, was Maschinen verdienen
Wenn die Leute also wie Maschinen arbeiten
Dann können sie auch so feiern und noch bis sieben dableiben“
(Dendemann 2019)

Diese Textpassage aus dem Lied „Menschine“ des Deutschen Hip Hop Künstlers Dendemann kann auf viele Arten interpretiert werden. Ist der Mensch nur zum Arbeiten da? Sind die monumentalen Hallen der Arbeiter*innenkultur zu erhalten? Kann man die prägende Vergangenheit und eine neue, alternative Auffassung des Begriffs „Arbeit“ zum Anlass nehmen, etwas völlig neues zu erschaffen?

Mit der Kraft der Gemeinschaft und den Ideen des Individuums – neue Perspektiven für Ebensee

Zur gesamten Arbeit

https://issuu.com/jakobpesendorfer/docs/arbeit_main_jp

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