DES PLANERS FREUDEN

Marion

geschrieben von Marion Müller

Wenn ich an Christian denke, kommt mir ein aufgeweckter Mensch mit einer Vorliebe für bunte Hemden und schrille Hüte in den Sinn. Er ist jemand, der es schafft, sich immer wieder für Neues zu begeistern. Schreitet dabei stets neugierig durchs Leben und versucht seine Umgebung ganz genau zu erkunden.

Seine Geschichte gehört aus vielen Gründen in die Liste der Erfolgsstories. Er durchlief in seinem Planerdasein viele Stationen: er forschte, gestaltete, vermittelte, verwaltete und lernte so des Planers Freuden und Leiden kennen.  In 35 Jahren Berufserfahrung lernte er, dass die Rolle des Planers nicht darin besteht, alleine den scheinbar besten Plan zu erarbeiten. Sein Credo ist: „Ich bin Raumplaner und weiß, wie man Pläne macht. Die Menschen wissen, was sie wollen und was sie selbst dafür tun können“. Raumplanung funktioniert für ihn nur in der Zusammenarbeit. Erst, wenn Menschen ihre Visionen teilen und sich für die Maßnahmen verantwortlich fühlen, kann der Plan Realität werden. Doch dafür – das hat er mir auch verraten – setzte er als Planer auf gute Grundlagenforschung, verständliche Darstellungen und vor allem Methodenvielfalt und Improvisationstalent.

Christian hat mir viele Geschichten aus seiner Zeit als Raumplaner erzählt. Einige brachten mich zum Staunen, andere zum Lachen und manche ließen mich ungläubig den Kopf schütteln.

Viel Vergnügen beim Lesen seines Beitrags!

© Marion Müller

Vor kurzem stelle ich mit Erstaunen fest, dass ich das 35-jährige Berufsjubiläum nur knapp verpasst habe. Ich habe im November 1984 meine Sponsion gefeiert und mit dem Ausweis als „Diplomingenieur“ die Lizenz zum Planen bekommen: „Mein Name ist Bond. Lassen sie mich durch, ich bin Experte!“ Im September 2019 musste ich aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand treten. Ich habe in meiner EDV-Ausbildung an der TU Wien noch Lochkarten gestanzt, den ersten PC (mit einer 5¼“ Floppy Disk und Anzeige in Bernstein auf Schwarz, ausschließlich Textanzeige) durfte ich schon 1987 benutzen. Im letzten Berufsjahr habe ich einen bürgerinnenfreundlichen „Widmungschancenrechner“ in Form einer Smartphone-App konzipiert. Die fachlichen Grundlagen für die damit abzubildenden Widmungsentscheidungen stammen aus den 1990er-Jahren. Lange Erfahrung macht sich gerade im Bereich der amtlichen Raumplanung bezahlt, und der technische Fortschritt kräuselt anscheinend nur die Oberfläche der weiten See der Raumplanungsparadigmen.

Im Rückblick waren es weniger die beruflichen „Erfolge“, die mir Erfolgserlebnisse beschert haben, sondern vor allem die unterschiedlichen menschlichen Begegnungen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die der Beruf mit sich bringt, sowie die Möglichkeit, diese Kommunikation mit unterschiedlichsten Medien und in vielfältigen Formaten zu gestalten. Die beruflichen Erfolge waren wegen ihrer Kurzlebigkeit und Flüchtigkeit fast immer nur kurz Anlass zur Freude. Die Motivation für neue Aufgaben kam in der Regel aus den Begegnungen und dem Austausch mit Menschen, die an die Wirksamkeit der Raumplanung bzw. an eine Verbesserung durch vorausschauendes Handeln glauben und sich für eine Zusammenarbeit begeistern können.

Anmerkungen:

Der folgende Text verwendet dort die männliche Form, wo er sich auf den Verfasser bezieht, da ich männlichen Geschlechts bin und mich männlichen Genders fühle (Cis-Mann). Bei weiblichen Formen dürfen Männer sich gerne mit angesprochen fühlen. Da ich bis vor kurzem berufsbedingt vorwiegend die technische Fachsprache und als Beamter die bürokratische Amtssprache verwenden musste, habe ich den Beitrag in Versform in Gestalt einer dreisätzigen Suite verfasst, wobei der dritte Satz als klassisches Divertimento wiederum sieben Teile umfasst, die als Bilder mit Untertiteln gestaltet sind. Die Zitate sind von und nach Wilhelm Busch.

I. Satz – Lamento (Des Planers Gruß)

Ach, was muss man oft von diesen
Raumplanerinnen Schönes lesen:
Wie die Welt sie gut gestalten,
der Menschen Wohl im Aug‘ behalten.
Wie sie die Natur beschützen,
Ressourcen nur ganz sparsam nützen,
Fußgeherinnen Vorrang geben,
Ortskerne proaktiv beleben
Und Klima, Luft und Wasser schonen.
Wer mag sie wohl dafür belohnen?

Die Welt ist’s nicht! Der Dank bleibt spärlich.
Der gute Plan scheint stets entbehrlich.
Das Gute, dieses stellt man fest,
ist das, was jeder unterlässt,
wenn es etwa ihn selber trifft.
Dann wird der Plan ganz weit umschifft.
Er hängt pro Forma an der Wand,
die Deals macht man unter der Hand.

Oft trifft man wen, der Pläne malt,
viel selt‘ner wen, der sie bezahlt.
Der Plan verheißt den schönen Schein.
Der Planer selber sieht bald ein:
der Ärger kommt uns gern entgegen,
die Freude flieht auf allen Wegen

 

II. Satz – Sentimento (Des Planers Rückblick)

Wenn des Planers Laufbahn endet,
sein Blick sich fragend rückwärts wendet:
Programme, Pläne, Karten, Akten,
Prognosen, Ziele, Daten, Fakten,
Round tables, Workshops, Bürgerforen,
Dienstbesprechung, volle Ohren,
lange Tabellen, viel Papier,
und nach der Sitzung noch ein Bier.
Viel Zeit und Kraft setzte er ein
und die Erfolge blieben klein.

Tief sinnend steht der Planer da:
Was da gescheh’n, warum’s geschah?

 

III. Satz – Divertimento (Des Planers Freuden)

Doch unverhofft soll er berichten
von seinen Erfolgsgeschichten.
So, denkt er, nun sei’s vorbei
mit der trüben Jammerei!
Im Blick zurück auf saure Wiesen
sieht der Planer etwas sprießen:
hier und dort wächst es empor,
ein Blümlein steckt den Kopf hervor.
Die zarten Formen, bunten Farben
verdecken bald des Ärgers Narben
und in des Planers stetes Leiden
mischen sich auch kleine Freuden.
Er wählt für euch die schönsten Blüten
und kann ein Freuden-Sträußlein bieten:

© Marion Müller
  1. Allegro (Stolze Freude)

Mein erstes „richtiges Buch“ wurde als Festschrift anlässlich des Festaktes zum 50 Jahr-Jubiläum der Kärntner Landesplanung präsentiert. Die stolze Freude darüber (und über die beim Recherchieren und Schreiben gewonnen Erkenntnisse) ließ die zahllosen Arbeitsstunden und durchgearbeiteten Nächte als angemessenes Opfer erscheinen.

  1. Menuett (Spielerische Freude)

Aus Lust am höheren Blödsinn habe ich mit meinem designbegabten Kollegen von der EDV die aus juristischer Sicht angemessene, doch unglaublich trockene Kartendarstellung des Zentrale-Orte-Konzeptes im Stil des 18. Jhdts. gestaltet. Dies blieb die einzige Karte, um die mich Kolleginnen und Kollegen jemals gebeten haben, damit sie diese in ihren Büros aufhängen können.

  1. Allegro (Entspannte Freude)

Das erste große EU-Projekt (INTERREG IIIB Cadses, für Kürzelvertraute) machte mich unversehens nicht nur zum Endverantwortlichen für ein Projektbudget von über 2 Mio. €, sondern auch zum machtlosen Projektmanager über Projektpartner aus 10 Raumplanungsbehörden aus fünf Staaten. Praktisch im letzten Augenblick traten tiefgreifende Unterschiede der Planungskulturen zu Tage, die die Einigung über ein gemeinsames räumliches Leitbild verhinderten. Trotzdem kam nicht nur das Projekt zu einem guten Ende, bei fruchtbaren Arbeitstreffen in entspannter Atmosphäre entstanden auch freundschaftliche Beziehungen. Das Gruppenbild am Swimmingpool schaffte es bis in den Projektbericht.

  1. Andante breve (Kurze stolze Freude)
Nach langer und intensiver Arbeit mit einem hochmotivierten Team gelang es 2008, für jede Region Kärntens ein „maßgeschneidertes“ regionales Entwicklungsleitbild nach einem einheitlichen Schema zu erstellen. Alle wurden partizipativ mit den einzelnen Regionalverbänden erarbeitet, von den jeweiligen Vorständen beschlossen und von der Landesregierung als Arbeitsgrundlage für die Regionalentwicklung der Regionalmanagement Kärnten GmbH zur Kenntnis genommen. Die Freude über diese österreichweite Pionierleistung währte nur kurz, politische und persönliche Querelen zerstörten umgehend die Organisationstruktur und verhinderten jede erfolgreiche Umsetzung. 
  1. Adagio (Behagliche Freude)

Die Arbeit in einem Team von freundschaftlich verbundenen Kolleginnen und Kollegen entschädigt für vieles. Das gegenseitige Vertrauen erleichtert die Arbeit ungemein und bringt kreative und manchmal nicht ganz regelkonforme Lösungen hervor. Mehrtägige Betriebsausflüge in die Nachbarländer zeigen, dass man auch Freizeit gerne zusammen verbringt. Ich konnte als „Reiseleiter“ nach Triest, Venedig und in die Goriška Brda für interessante Erfahrungen und entspannte Momente sorgen, Wetter, Wein und der „genius loci“ sorgten für unvergessliche Augenblicke und gute Laune.

  1. Menuett (Menschliche Freude)
Immer wieder sind es Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen aus der Raumplanung, aus anderen Bereichen der Verwaltung, mit Fachleuten, Bürgerinnen, Studentinnen, Schülerinnen, die Freude machen und die Freude am Beruf auffrischen.
  1. Presto (Rauschhafte Freude)

Gemeinsame Feiern beleben das Arbeitsklima im Büro und in der Abteilung. Nicht nur Geburtstage, auch Ostern und Weihnachten, St. Patrick’s Day und Martini sowie spontane Anlässe bieten Gelegenheit zum Zusammensein, Jausnen und Plaudern. In Kärnten hat der Fasching eine lange Tradition, und mit ihm die Faschingsfeier am Faschingsdienstag. Doch die risiko- und spaßablehnende Revisorenmentalität der wirkungsorientierten Verwaltung droht auch dieses kulturelle Erbe auszurotten. Ich habe meine Fähigkeiten als Eventmanager, Bühnenbildner, Koch (Raumplanung ist eine Querschnittsmaterie und erfordert viele Fähigkeiten!) gerne zur Verfügung gestellt: am Höhepunkt des rauschenden Piratenfestes sang der Chor der Landesplanung gemeinsam das Lied der Piraten aus der Karibik: „Yo ho, yo ho, a pirate‘s life for me!“

ENDE

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